Ein wichtiges Ziel hat der Tag der psychischen Gesundheit, den wir auch dieses Jahr am 10. Oktober begehen, bereits erreicht: Psychische Erkrankungen sind in den letzten Jahrzehnten in hohem Maße enttabuisiert worden. Es ist heute deutlich leichter, darüber zu sprechen, als noch 1992 – dem Jahr, in dem dieser Tag vom Weltverband für psychische Gesundheit (WFMH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam ins Leben gerufen wurde.

Was damals noch mit leiser Stimme kommuniziert wurde, ist heute Teil öffentlicher Debatten – in den Medien, in Unternehmen, in der Politik. Und doch bleibt ein Bereich besonders herausfordernd: die mentale Gesundheit von Menschen mit hoher Verantwortung – von Führungskräften, Unternehmern, Entscheidungsträgern und anderen Hochleistern, die Tag für Tag unter Druck stehen, funktionieren müssen und oft wenig Raum für innere Regeneration haben.

 

Psychische Gesundheit – Zuversicht in unsicheren Zeiten

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt den diesjährigen Welttag der psychischen Gesundheit unter das globale Motto „Access to Services – Mental Health in Catastrophes and Emergencies“ – ein Thema von hoher Relevanz, wenn man auf die weltweiten Krisen, Konflikte und Katastrophen blickt.

In Deutschland wird der Tag im Rahmen der „Woche der psychischen Gesundheit“ unter das Motto gestellt: „Lass Zuversicht wachsen – Psychisch stark in die Zukunft“.

Ein Leitsatz, der in diesen Zeiten kaum aktueller sein könnte. Denn Zuversicht ist keine naive Hoffnung, sondern eine mentale Ressource, die sich trainieren und kultivieren lässt – besonders dann, wenn die äußeren Umstände unsicher, widersprüchlich oder bedrohlich erscheinen.

Gerade Hochleister aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stehen hier exemplarisch: Sie gestalten inmitten von Komplexität, führen in Ungewissheit und tragen Verantwortung in Zeiten, die selten planbar sind. Für sie ist Zuversicht kein Gefühl, sondern eine Führungshaltung – eine Entscheidung, trotz Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben und anderen Orientierung zu geben.

Diese Form der psychischen Stärke ist nicht angeboren. Sie entsteht aus innerer Klarheit, aus Sinnbewusstsein und aus der Fähigkeit, sich selbst immer wieder zu zentrieren. In diesem Sinne ist das deutsche Motto weit mehr als ein Appell:
Es ist eine Einladung, die eigene mentale Widerstandskraft bewusst zu pflegen – damit aus Krisen keine Katastrophen werden, sondern Wachstumschancen.

 

Der „wind of change“ nimmt wieder Fahrt auf

Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass die aktuellen und kommenden Umbrüche noch intensiver sein werden als alles, was wir in den 80er oder 90er Jahren erlebt haben – jenem „Wind of Change“, den die Scorpions damals besangen.

Heute weht dieser Wind digitaler, globaler und dauerhafter. Künstliche Intelligenz verändert Berufsbilder, geopolitische Spannungen verunsichern Märkte, ökologische Krisen fordern neue Geschäftsmodelle, und die soziale Kommunikation verlagert sich zunehmend in digitale Echokammern.

Kurz: Die Welt wird nicht ruhiger. Und genau hier stellt sich die entscheidende Frage: Was hält uns in diesen stürmischen Zeiten psychisch gesund?

 

Was Hochleister besonders gefährdet – und zugleich stärken kann

Menschen mit hoher Leistungsorientierung sind oft überdurchschnittlich belastbar – aber eben nicht unbegrenzt. Gerade Führungskräfte, die für andere Verantwortung tragen, vernachlässigen häufig ihre eigene psychische Gesundheit. Das liegt selten an mangelndem Wissen, sondern meist an Haltung:
„Ich halte das schon durch.“ – „Andere brauchen mich.“ – „Ich kann mir keine Schwäche leisten.“

Doch Dauerbelastung ohne innere Balance führt langfristig zu Erschöpfung, Zynismus oder Entscheidungsblockaden – Symptome, die in der heutigen Welt subtil beginnen und sich schleichend verstärken.

Die gute Nachricht: Mentale Stabilität ist trainierbar. Und sie beginnt nicht mit Meditation oder Achtsamkeitsübungen – sondern mit innerer Klarheit.

 

Innere Klarheit als Grundlage psychischer Gesundheit

Innere Klarheit entsteht, wenn wir uns bewusst machen, wofür wir stehen, wohin wir wollen und was unserem Handeln Sinn gibt.

Diese drei Dimensionen bilden – psychologisch wie existenziell – das Fundament seelischer Gesundheit:

  1. Wertebewusstsein: Was ist mir wirklich wichtig?
  2. Zielbewusstsein: Wofür setze ich meine Energie ein?
  3. Sinnbewusstsein: In welchem größeren Zusammenhang steht mein Tun?

Wer seine Werte kennt, kann Prioritäten setzen und Entscheidungen souverän treffen – auch unter Druck. Wer Ziele aus diesen Werten ableitet, erlebt Wirksamkeit statt Getriebenheit. Und wer einen Sinn erkennt, bleibt innerlich stabil, selbst wenn äußere Strukturen wanken.

Diese Klarheit wirkt wie ein innerer Kompass – sie schützt vor Überforderung und stärkt die Fähigkeit, in unsicheren Zeiten stabil und handlungsfähig zu bleiben.

 

Drei entscheidende „Zutaten“ psychischer Stärke

  1. Entscheidungsstärke:
    Hochleister sind täglich gefordert, Entscheidungen zu treffen – oft mit unvollständigen Informationen. Wer seine Werte kennt, entscheidet nicht nach Angst, sondern nach Überzeugung. Das reduziert mentalen Stress enorm, weil es das ständige innere Abwägen beendet.
  2. Veränderungskompetenz:
    Wandel gehört heute zur Grundausstattung des Lebens. Psychisch gesunde Menschen erleben Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Lernfeld. Sie akzeptieren, dass Unsicherheit Teil des Spiels ist – und gestalten trotzdem mutig weiter.
  3. Beziehungsnetz:
    Kein Mensch bleibt dauerhaft gesund in Isolation. Beziehungen sind einer der stärksten Schutzfaktoren für mentale Stabilität. Führungskräfte, die sich Zeit für echte, vertrauensvolle Beziehungen nehmen – privat wie beruflich –, regenerieren schneller und treffen bessere Entscheidungen.

 

Der Tag der psychischen Gesundheit als persönlicher Impuls

Solche Fähigkeiten entstehen nicht zufällig. Sie wachsen durch bewusste Selbstreflexion, durch Pausen, durch Gespräche – und durch die Bereitschaft, auch die eigenen Grenzen anzuerkennen.

Der Welttag der psychischen Gesundheit bietet eine gute Gelegenheit, einen Moment innezuhalten und sich zu fragen:

  • Welche Werte tragen mich wirklich?
  • Welche Ziele leiten sich daraus ab?
  • Worin liegt der tiefere Sinn meines Handelns?

Diese Fragen mögen philosophisch klingen, doch sie sind hochpraktisch. Sie entscheiden darüber, ob wir in Krisen gelassen und handlungsfähig bleiben – oder uns von der Dynamik der Ereignisse mitreißen lassen.

 

Ein konkreter Vorschlag für Hochleister

Nutzen Sie diesen Tag, um bewusst innezuhalten – vielleicht mit einem „Inneren Bilanzgespräch“:

  • Nehmen Sie sich 30 Minuten ungestörte Zeit.
  • Schreiben Sie drei Ihrer wichtigsten Werte auf – und prüfen Sie, ob Ihr Alltag ihnen gerecht wird.
  • Formulieren Sie ein Ziel, das diesen Werten entspricht, und einen nächsten konkreten Schritt.

Kleine Übungen wie diese haben große Wirkung. Sie führen zu einer Haltung, die im besten Sinne resilient macht: klar, ruhig und entscheidungsfähig – auch unter Druck.

 

Fazit

Psychische Gesundheit ist keine Privatsache, sondern eine Führungsaufgabe – gegenüber sich selbst und anderen. Wer Verantwortung trägt, braucht nicht nur Leistungs-, sondern auch Erhaltungsfähigkeit.

Gerade in einer Welt, die sich rasant verändert, sind innere Stabilität, Wertebewusstsein und Sinnorientierung keine „weichen Themen“, sondern zentrale Erfolgsfaktoren. Sie sind das, was Menschen – und Organisationen – langfristig trägt.

Nutzen Sie den Welttag der psychischen Gesundheit, um sich daran zu erinnern:
Mentale Stärke beginnt mit Selbstklärung.
Und Zuversicht, Dankbarkeit und Wertebewusstsein sind keine Luxusübungen – sie sind die stillen Kraftwerke, die Hochleister gesund und wirksam bleiben lassen.

Markus Frey, Köln
info(ät)stressfrey.de