Dass Uli Hoeness sich schuldig gemacht hat, ist offensichtlich und unbenommen. Im Unterschied zu vielen anderen steht, sagt er aber auch öffentlich dazu, dass er einen großen Fehler begangen habe. Jedenfalls damit ist er gerade im Sport ein Vorbild.
Damit wir uns recht verstehen. Keinesfalls will ich sein Vergehen kleinreden und schon gar nicht rechtfertigen. Es muss auch bestraft werden, wenngleich ich meine, dass eine (durchaus hohe) Geldstrafe deutlich angemessener als eine Gefängnisstrafe wäre.

 

Unkultur der Unfairness

Doch gerade im Sport haben wir an vielen Stellen eine Kultur zugelassen, die darauf hinausläuft, dass es Recht und Unrecht in einem moralisch-ethischen Sinne gar nicht mehr gibt. Gerade vor diesem Hintergrund stimmt mich die Gnadenlosigkeit mit der häufig über den „Fall Hoeness“ diskutiert wird, schon nachdenklich.
Strafstoß ist zum Beispiel nur „wenn der Schiedsrichter pfeift“, was formal natürlich richtig ist. Leider wird mit solch einer Aussage auch immer gleichzeitig die Botschaft transportiert, dass alles andere uninteressant ist. Das heißt, dass selbst unfaire Handlungen wie das absichtliche auf den Fuß des Gegenspielers stehen in Ordnung sind, so lange es der Schiedsrichter nicht sieht.
Ähnlich sieht es auch bei der leidigen Dopingproblematik aus. Auch dieses ist nach dieser „Ethik“ in Ordnung, solange man nicht positiv getestet wurde. Bis hin zu Jan Ulrichs unsäglichem „Ich habe nicht betrogen“, was heißen sollte, dass eine verbotene Handlung in dem Moment kein Betrug mehr sein soll, wenn andere dasselbe tun.
Besonders deutlich wurde diese Kultur (oder besser Unkultur) beim mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gekommenen Kopfball-„Tor“ von Stefan Kiessling gegen Hoffenheim am 18. Oktober. Kiessling selber hat sich zwar weggedreht, aber mindestens drei Leverkusener Spieler haben in aller Seelenruhe beobachtet, wie der Ball durch ein Loch im Außennetz den Weg ins Tor fand. Danach liefen sie… nicht zum Schiedsrichter, sondern zu Kiessling und forderten diesen zum Jubel auf.

 

Mentale Stärke durch klare Werte

Niemand möchte benachteiligt werden, in der ergebnisorientierten Welt des Leistungssports schon gar nicht. So gesehen scheint eine klare Werteorientierung tatsächlich dem Erfolg im Weg zu stehen.
Doch eines muss uns auch bewusst sein. Derjenige, der aufgrund seiner Werte bereit ist, kurzfristige Nachteile, z.B. durch den Verzicht auf ein irreguläres Tor, in Kauf zu nehmen, gewinnt in aller Regel eine mentale Stärke, die demjenigen verschlossen bleibt, der meint auf solcherlei Vorteile nicht verzichten zu können. Dies hat vor allem damit zu tun, dass der werteorientierte Athlet sich ein deutlich stärkeres Bewusstsein erarbeitet, mit Schwierigkeiten fertig werden zu können. Durch die Überzeugung, auf unfaire Vorteile verzichten zu können, wird er auf Sicht auch mit den großen und kleinen Krisen des Sportleralltags souveräner umgehen können.

In diesem Sinne bin ich,
Ihr / Euer Markus Frey