KompassZwei Tage nach dem Suizid des Finanzchefs der Zurich Insurance Group (ZIG), dem französisch-britischen Manager Pierre Wauthier, tritt der Verwaltungsratspräsident Josef Ackermann zurück. Er begründet dies damit, dass er Grund zur Annahme habe, „dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag.“

 

Grundsatzfragen

Natürlich ist mir klar, dass es in den Medien jetzt manche Spekulationen über die Beziehung Ackermanns zu seinem Finanzchef geben wird. Das war schon nach dem Suizid von Carsten Schloter, dem CEO des Telekommunikationskonzerns Swisscom, im Juli nicht anders, als es um dessen Verhältnis zu seinem Verwaltungsratspräsidenten ging. Doch die wichtigen Fragen, die sich aus den beiden Suizidfällen stellen, sind weit grundsätzlicherer Natur.
Es sind Fragen, denen sich alle stellen müssen. Die Fragen nach dem Sinn unseres Lebens im Allgemeinen, unserer Arbeit im Speziellen und den Werten nach denen wir unser Handeln ausrichten. Aber ich denke, es sind auch Fragen, denen sich vor allem die Verantwortungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft in besonderer Weise stellen sollten. Einerseits weil ihre Lebensphilosophien und Werte für viele Menschen ebenfalls handlungsleitenden Charakter haben, sie also Vorbilder sind. Andererseits aber auch deshalb, weil der Lebens- und Arbeitssinn im Verbund mit den sich daraus ableitenden Werten gerade für Menschen, die viele und weitreichende Entscheidungen treffen müssen, von essentieller Bedeutung sind.

 

Kriterium Krisenfestigkeit

Bevor ein Flugzeug in die Lüfte abhebt, muss ein solches Wunderwerk der Technik eine Vielzahl von Prüfungen über sich ergehen lassen. Von hoher Relevanz sind dabei insbesondere die Materialprüfungen. Hält der eingesetzte Kohlefaserkunststoff sowohl große Hitze, als auch große Kälte aus? Und wie sieht es mit der Belastungsfähigkeit bei großen Druckunterschieden aus? Und was passiert, wenn der Flieger in Turbulenzen gerät? Auch in solchen Krisensituationen muss das Material die Belastungen aushalten.
Ein Mensch ist schon an sich weit mehr wert als ein Flugzeug. Und das Material ist auch unendlich viel komplexer. Viele Gemeinsamkeiten gibt es da also nicht. Was Mensch und Flugzeug aber verbindet, ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass beide im Laufe ihres Lebens in Turbulenzen und Krisen kommen werden. Aus diesem Grund ist es auch für beide so wichtig, dass ihr Material von exzellenter Qualität ist.

 

Unser geistiges „Material“

Neben unserem körperlichen ist dabei unser „geistiges Material“ von ausschlaggebender Bedeutung. Haben Sie schon einmal überlegt, ob der Sinn, den Sie Ihrem Leben als Ganzes und insbesondere Ihrer Arbeit geben, krisenfest ist? Was ist zum Beispiel, wenn Sie Ihre jetzige Arbeit verlieren? Ist dann Ihr ganzer Lebenssinn auch verloren? Oder wenn die Beziehung zu Ihrem Partner, es sei durch Tod oder Scheidung, endet? Oder wenn Sie ein ganz besonderes Projekt, in das Sie viele Jahre Ihres Lebens und noch mehr Herzblut investiert haben, endgültig aufgeben müssen?
Das sind keine angenehmen Fragen, ich weiß. Wir weichen Ihnen gerne aus. Aber sie betreffen Ereignisse, die zu jedem Leben, auch dem erfolgreichsten, dazugehören. Und es sind gerade auch diese Ereignisse, an denen sich die Krisenfestigkeit unserer Lebensphilosophien und unseren gelebten Werten erweisen muss.

 

Die entscheidenden Fragen – nicht nur für Führungskräfte, aber gerade für sie

Carsten Schloter und Pierre Wauthier können uns keine Antworten mehr geben. Nicht über den Sinn ihres jeweiligen Lebens und den Werten, nach denen sie sich ausgerichtet haben. Und auch nicht über die Lebensphilosophien und Werte derer, mit denen sie unterwegs waren und die sie möglicherweise als unvereinbar mit ihren eigenen betrachtet haben. Wir wissen es wie gesagt nicht und sollten es auch dabei belassen. Die entscheidenden Fragen sind wie gesagt andere. Wagen wir es, sie ganz konkret zu stellen und entsprechende Konsequenzen aus den Antworten zu ziehen?

Viel Mut in all Ihrem Tun und Lassen und eine wertvolle Zeit wünscht,

Markus Frey, Life-Coach
frey(at)stressfrey.de