Dortmund gewinnt gegen die Bayern, Lucien Favres neue Fohlenelf schießt Werder ab und die Leverkusener Ex-Lauterer Sidney Sam und Michael Ballack stürmen den Betzenberg. Doch eine Nachricht aus der Fußball-Bundesliga war heute wichtiger, weit wichtiger. Die Nachricht, dass der Schiedsrichter Babak Rafati nach seinem morgendlichen Selbstmordversuch im Kölner Hyatt-Hotel mittlerweile außer Lebensgefahr ist.

Natürlich weiß ich nicht mit letzter Sicherheit, was genau Rafati zu seiner tragischen Tat getrieben hat. Doch ein Zusammenhang mit seiner Schiedsrichtertätigkeit scheint nur allzu offensichtlich. Dass er seinen Selbstmordversuch wenige Stunden vor dem Anpfiff des Spiels Köln-Mainz unternommen hat, ist wohl kaum als Zufall zu werten. Die gleiche Partie stand vor sechs Jahren am Anfang seiner Karriere als Bundesliga-Schiedsrichter.  Auch Andeutungen des DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger gingen in die Richtung, dass Rafati bestimmte Vorkommnisse in Zusammenhang mit seiner Schiedsrichter-Tätigkeit nicht mehr ertragen konnte.

Fußball-Schiedsrichter haben schon grundsätzlich einen schweren Stand in der Öffentlichkeit, nicht erst seit dem Manipulationsskandal im Jahr 2005 oder dem jüngst entdeckten Steuerskandal, in den offenbar gleich 70 Spielleiter involviert sind. Woche für Woche werden auch ihre Leistungen vor einem Millionenpublikum wieder und wieder seziert, Fehlentscheidungen aus verschiedenen Kameraperspektiven und natürlich in Zeitlupe nachgewiesen.

Babak Rafati stand seit Jahren besonders stark in der Kritik. Dreimal wurde er von den Bundesligaprofis zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt (einmal allerdings auch zum zweitbesten) und im September dieses Jahres gab der DFB bekannt, dass er Rafati (wie auch Peter Sippel) nicht mehr auf der Liste der FIFA-Schiedsrichter führen wird.

Klar, das ist ein schwerer Karriereknick. Klar ist auch, dass die Schiedsrichter sich genauso wie die Spieler auch Leistungsbewertungen stellen müssen. Wie alle anderen Sportler auch, müssen sie damit umgehen lernen. Doch mit diesem Hinweis allein kommen wir nicht davon. Zu offensichtlich ist, dass wir seit dem Selbstmord von Robert Enke vor zwei Jahren wenig bis nichts gelernt haben. Immer noch werden Menschen, deren Leistung an irgendeiner Stelle als ungenügend erachtet wird, für diese Leistungen nicht nur kritisiert, sondern allzu häufig nach wie vor verunglimpft, beleidigt, in ihrer Menschenwürde angegriffen. Dies ist natürlich nicht nur im Fußball so, aber ganz besonders auch nach wie vor im Fußball.

Unabhängig davon was Rafatis Selbstmordversuch letztendlich ausgelöst hat, machen allein die Vorkommnisse der letzten Wochen und Monate überdeutlich, dass auch der Fußball derzeit ganz große Defizite in der Wertevermittlung hat, insbesondere da, wo es um die Würde des Menschen geht. Da wurde und wird allzu viel mit den Emotionen, mit der Fankultur oder was auch immer erklärt und bagatellisiert, was schlicht und ergreifend menschenverachtend ist. Und nicht jeder ist so stark, dass er solcherlei Schmähungen einfach wegstecken kann.

Alle, die im Fußball zu den Meinungsmachern zählen sind in besonderer Weise dazu aufgerufen, jetzt endlich Gegensteuer zu geben. Dazu zählen in erster Linie die Spieler selbst, ihre Trainer, Fanbeauftragte, Stadionsprecher, Medienleute und insbesondere auch die Klubführungen. Immer nur Betroffenheit zu markieren, wenn wieder jemand mit diesen Dingen nicht mehr zurechtkommt reicht schon lange nicht mehr aus.

Markus Frey, Life-Coach
frey(at)stressfrey.de

 

PS Natürlich bin ich mir sehr bewusst, dass die oben beschriebenen Dinge nicht nur ein Problem des Fußballs sind. Sie werden da „nur“ besonders deutlich. Bei allem sollten wir bedenken, dass der Fußball auch da wohl als Spiegelbild der Gesellschaft als Ganzes zu betrachten ist.