Vor einigen Tagen hat die Stiftung Deutsche Depressionshilfe eine Pressemitteilung herausgebracht, die hohe Wellen geschlagen hat. Mit 5 Gründen wurde gegen das „Modewort Burnout“ argumentiert und dafür plädiert, ihn durch „Depression“ zu ersetzen. Leider wurde die in der Pressemitteilung (jedenfalls teilweise) richtig beschriebene Problematik auch dieser selbst zum Verhängnis. Sie wurde zumindest in Teilen der Presse und der Öffentlichkeit gründlich missverstanden, z.B. wenn getitelt wurde, dass Burnout „keine wirkliche Krankheit“ sei.

Wo die Deutsche Depressionshilfe Recht hat.
Recht hat die Deutsche Depressionshilfe, wenn sie beklagt, dass der Gebrauch des „schwammigen Begriffs Burnout“ etwas gar „inflationär“ geworden ist. Häufig wird sehr undifferenziert berichtet, z.B. wenn sofort „Burnout“ geschrieben wird, kaum dass von einer einigermaßen prominenten Person bekannt wird, dass sie mehr oder weniger überarbeitet ist.
Ebenfalls richtig ist der Hinweis, dass es in Zusammenhang mit Burnout nach wie vor größere Diagnoseprobleme gibt. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind die Symptome von Burnout durchaus für verschiedene Krankheitsbilder typisch. Außerdem werden die klassischen Symptome (emotionale Erschöpfung, Rückzug aus sozialen Bezügen und im fortgeschrittenen Stadium schließlich abnehmende Leistungsfähigkeit) häufig schon relativ bald von sekundären Gesundheitsproblemen (z.B. Alkohol- und/oder Tablettensucht, Schlafstörungen, allgemeine Krankheitsanfälligkeit u.v.m.) überlagert. Schon aus diesem Grund ist eine relativ sichere  Burnoutdiagnose oft nur im Frühstadium möglich.

Dass Burnout im Wesentlichen eine Form der Depression ist, wurde nie wirklich bestritten
Der Burnoutbegriff als solcher ist noch recht jung. Er wurde 1974 von deutschstämmigen amerikanischen Psychologen Herbert Freudenberger (und etwa zeitgleich von S. Ginsburg) eingeführt, um ein Phänomen zu beschreiben, das er zunächst vor allem unter Angehörigen sozialer Berufe, später auch unter Unternehmern und Führungskräften („Managerkrankheit“) beobachtet hat. Diese beklagten mit zunehmender Häufigkeit schwere Erschöpfungen, die nicht nur körperlicher sondern v.a. auch psychischer Natur waren. Sie waren daher weit überdurchschnittlich häufig krank geschrieben sowie von Frühverrentung und Arbeitsunfähigkeit betroffen. Freudenberger wählte für diese Phänomene einen Begriff aus der Kernphysik, der das Durchbrennen der Brennstäbe in einem Kernreaktor bezeichnete: eben Burnout.
Von Anfang an war klar, dass es sich bei Burnout bzw. dem Burnout-Syndrom um weit mehr handelte als „nur“ um eine körperliche Überarbeitung. Die Erschöpfung betrifft zwar in der Regel auch die körperliche Seite, v.a. aber handelt es sich dabei um eine psychische Erschöpfung! Unter anderem aus diesem Grund steht auch in den meisten ärztlichen Diagnosen nach wie vor der Begriff der „Erschöpfungsdepression“ statt „Burnout“. Der andere Grund ist, dass das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation WHO (nach dem sich in Deutschland sowohl Ärzte als auch Krankenkassen richten müssen) „Burnout“ nicht unter der Rubrik „Krankheiten“ führt. Im Klartext: für die Diagnose „Burnout“ gibt es im Zweifelsfall kein Geld (z.B. für eine Kur), für „Erschöpfungsdepression“ schon.

Burnout als Begriff erhalten – aber besser informieren
„Burnout“ ist nun seit gut 30 Jahren begrifflich eingeführt. Sicher könnte man ihn oft einfach durch „Depression“ ersetzen. Das wäre aber weder für die öffentliche Diskussion im Allgemeinen noch für das Stigmatisierungsproblem hilfreich. Denn Burnout steht auch für ein psychisches Gesundheitsproblem, das in engem Zusammenhang mit der Arbeitswelt steht, was ihn vom allgemeineren Begriff der Depression unterscheidet. Und auch wenn es an dieser Stelle manche Missverständnisse und einseitige Betrachtungsweisen gibt (z.B. die oft nahezu ausschließliche Begründung mit der quantitativen Arbeitsbelastung) ist eine öffentliche Diskussion nicht nur, aber auch über die mit der Arbeit verbundenen Werte und ihre praktische Ausgestaltung sehr wohl notwendig, wenn wir der geradezu epidemischen Verbreitung der Burnout-Problematik Herr werden wollen. Durch einen einfachen Begriffstausch werden die Probleme in Bezug auf eine Stigmatisierung der Betroffenen und der mit dem Burnout-Begriff verbundenen Missverständnisse keineswegs beseitigt, sondern allenfalls durch neue ersetzt. Es wäre daher viel sinnvoller, zur Aufklärung beizutragen, als „Burnout“ einfach durch „Depression“ zu ersetzen, bzw. „1:1“ als Synonym zu verwenden.

Markus Frey

stressfrey(ät)gmail.com