Schwer ist es nicht, als Gründer* in die Burnout-Falle zu tappen. Er ist hochmotiviert und dass ein Startup selten mit einer 40-Stunden-Woche zum Erfolg zu bringen ist, hat er auch von Anfang an akzeptiert. Wie viele in der Gründerszene sagt auch er, dass er Stress nicht kenne. Für ihn ist dies ein Begriff für Schwache und Looser. Ein „guter“ Nährboden für die Entstehung von Burnoutfallen…

 

 

Ehrgeiz und Motivation ist hoch … und nicht das Problem!

Vorab: dass Ehrgeiz und Motivation hoch sind, halte ich nicht für das Problem, im Gegenteil. Gerade in einer Zeit, in der ca. 85% der arbeitenden Bevölkerung in ihrer Arbeitsmotivation irgendwo zwischen Dienst nach Vorschrift und innerer Kündigung schwanken, brauchen wir motivierte Leute, die mit brennendem Herzen vorangehen. Darüber hinaus halte ich es für einen echten Holzweg, wenn gerade solchen Menschen geraten wird, dass sie ihre Motivation runterschrauben sollen, damit sie nicht in einen Burnout geraten. Mit Verlaub, das ist ausgemachter Unsinn!


 

Das brennende Herz des Gründers

Vielmehr geht es darum, das brennende Herz am Brennen zu halten. Nicht „nur“, weil dieses brennende Herz, die Lebensenergie, der wichtigste Faktor für den Erfolg eines Start-ups ist. Die Lebensenergie ist gleichzeitig auch der wichtigste Faktor für die Gesundheit und Lebensqualität eines Menschen. Also nicht nur von Gründern, aber eben auch von Gründern.


 

Ausbrennen ist kein Naturgesetz

Viele Menschen, leider auch nicht wenige so genannte „Experten“, tun so, als wenn das Ausbrennen eines Menschen, der für seine Sache brennt, sozusagen ein Naturgesetz wäre. Doch auch das ist Unsinn. Dauerhaftes „Brennen“, auch über die ganze Lebensspanne, geht sehr wohl. Allerdings, und auch das will ich hier klar sagen, nicht so, wie viele hochmotivierte Gründer denken.


 

Motivation und Ehrgeiz reichen nicht aus

Unter Startup-Unternehmern ist die Annahme weitverbreitet, dass es reiche, Ehrgeiz und Motivation hochzuhalten, dann werde a) der Erfolg schon kommen und b) die persönliche Energie auch nicht versiegen. Beides ist falsch. Die Motivation ist zwar ein wichtiger Bestandteil einer hohen Lebensenergie und (um im obigen Bild zu bleiben) eines brennenden Herzens. Damit das Herz aber dauerhaft(!!) am Brennen bleibt, braucht es mehr. Vor allem braucht es ein Bewusstsein für die weiteren Lieferanten der persönlichen Lebensenergie.


Das brennende Herz und seine fünf Hauptlieferanten

Die Lebensenergie oder das „brennende Herz“ hat im Wesentlichen fünf Lieferanten, die sicherstellen, dass die Lebensenergie dauerhaft(!) zur Verfügung steht bzw., um im Bild zu bleiben, das Herz am Brennen bleibt.


a) Der Körper

Hier geht es um die körperlichen Grundbedürfnisse und da vor allem die Bedürfnisse um Erholung, Bewegung und eine gesunde, vitalstoffreiche Ernährung. Sie dauerhaft zu missachten, ist einer der häufigsten Fehler von Startup-Unternehmern. Die Zeit ist irgendwie immer knapp. Da ist die Versuchung groß, am Schlaf zu sparen und auf gesundes Essen zu pfeifen. Hauptsache es ist schnell einverleibt und macht satt. Und für sportliche Aktivitäten bleibt eh nichts übrig. Folge: der Startup-Unternehmer fängt schon sehr früh an, von seiner körperlichen Substanz zu leben. Eine schlechte Idee, für die viele gute Leute immer häufiger, immer früher einen hohen Preis bezahlen.

 

b) Arbeit / Leistung

Hier haben Startup-Unternehmer i.d.R. einen gewaltigen Vorteil. Im Gegensatz zu vielen anderen weiß er es nicht „nur“, sondern lebt und erlebt es i.d.R. Tag für Tag, dass die Arbeit nicht nur Energie erfordert, sondern auch viel Energie zurückgibt.
Das ist vor allem in der ersten Phase eines neuen Unternehmens ein ganz starkes Plus des Startup-Unternehmers. Aber auch im weiteren Verlauf ist es von hoher Bedeutung, dass der Gründer (und auch sein Team) viel von der Energie, die er investiert aus seiner Arbeit zurückbekommt. Viel hängt insbesondere auch von seinem Warum ab, dem Sinn, den er mit seinem Unternehmen verfolgt (→Sinn).

 

c) Beziehungen

Wer in einem gesunden, sozialen Netz aufgehoben ist, ist i.d.R. deutlich belastungsfähiger als der Einzelgänger. Das fängt mit den engsten privaten Beziehungen an. Wer einen Partner bzw. einen Partner und ggflls. seine Familie an seiner Seite hat, hat hier noch einmal einen starken Zufluss an Lebensenergie.
Ebenfalls zu den Beziehungen gehört aber ggflls. auch das Team des Gründers. Auch dieses ist von höchster Bedeutung für das kontinuierliche „Brennen“. Klarheit bei den Zielen und den jeweiligen Aufgaben, sowie gegenseitiges, auf Verlässlichkeit aufgebautes, Vertrauen sind hier die unersetzbaren Zutaten.

 

d) Denken

Hier geht es zunächst um die Glaubenssätze, also das Welt- und Menschenbild, inklusive wie sich der Gründer selber sieht, seine Identität. Dann auch um die Art, wie ein Gründer die Geschehnisse seines beruflichen und privaten Lebens bewertet. Und ganz besonders, wie er seine Ressourcen bewertet, die Herausforderungen, mit denen er konfrontiert ist, zu meistern. Wie geht er gedanklich mit Niederlagen und Enttäuschungen um? Gelingt es ihm auch in der Krise, „Kurs“ zu halten und das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren? Seine Denkgewohnheiten in all diesen Bereichen sind entscheidend dafür, mit wieviel Energie ein Gründer in guten oder weniger guten Zeiten unterwegs ist und wie hoch sein Burnout-Risiko ist.

 

e) Sinn

Zum Schluss noch ein paar Worte zum größten Energielieferanten überhaupt: dem Sinn, den der Gründer seinem Leben im Allgemeinen und der Arbeit an seinem Unternehmen im Speziellen gibt. Kennt er sein Warum und worin besteht es? Und ist dieses Warum stark genug, dass es auch durch Enttäuschungen, Krisen gar, hindurchträgt?

Dies sind Fragen von allerhöchster Bedeutung. Kann der Gründer sie positiv für sich beantworten, dann hat er einen enorm starken Energielieferanten gefunden. Kann er das allerdings nicht, dann trägt ist die Burnoutfalle nie sehr weit entfernt und wird im Krisenfall mit hoher Wahrscheinlichkeit zuschnappen. Sich eine Antwort auf diese Warum-Frage zu erarbeiten, ist also ein entscheidendes und unersetzbares Element für die persönliche Spitzenenergie und eine wirksame Burnout-Prävention.

 

Energielieferant oder Energieräuber?

Wie gesagt, dies alles sind äußerst starke und unverzichtbare Energielieferanten. Eines sei aber nicht verschwiegen. Alle fünf können sich auch in ebenso starke Energieräuber verwandeln, wenn Sie sie nicht ausreichend beachten bzw. ihnen nicht die notwendige Zeit und Aufmerksamkeit geben. Achten Sie also darauf, dass alle Energiezuflüsse offen und nicht verstopft sind und versuchen Sie nicht, damit verbundene Probleme zu ignorieren.
Wichtig: Genauso wenig, wie Sie bei Ihrem Auto einen Reifen abmontieren und auf einer anderen Felge zum Ausgleich einen doppelt so breiten aufziehen sollten, sollten Sie versuchen, einen dieser Energiezuflüsse geringzuschätzen, um ihn mit einem stärker entwickelten anderen Zufluss auszugleichen. Eine kurze Zeit, manchmal sogar mehrere Jahre, mag dies funktionieren, langfristig rächt es sich fast immer.

 

Fazit: „Der kluge Mann* baut vor …

…und fährt mit Spitzenenergie im Motor“ könnte man in leichter Abwandlung eines Werbespruchs aus den 70er Jahren sagen. Und dauerhaften(!) Zugriff auf die persönliche Spitzenenergie gibt es eben nur bei Beachtung aller fünf Zuflüsse. Es geht also auch für den Gründer darum, dass er von Anfang an Gewohnheiten in sein Leben einbaut, die diese Zuflüsse sicherstellen. Dann hat er selbst in Krisenzeiten Ressourcen zur Verfügung, die sein Durchhalten und die Chance auf (umfassenden, nicht „nur“ beruflichen) Erfolg signifikant erhöhen.

Markus Frey, LifeCoach, Köln
info(ät)stressfrey.de

*Aufgrund der besseren Lesbarkeit habe ich mich beim Schreiben dieses Artikels dafür entschieden, stets die männliche Form zu wählen. Aber natürlich sind die Frauen immer mitgemeint. Von ihnen können wir Männer übrigens auch hier eine Menge lernen, weil sie häufig eine deutlich höhere Bereitschaft zeigen, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen (ein wichtiger Punkt, warum die Lebenserwartung bei Frauen so viel höher ist, als bei Männern, aber das nur am Rande).