Fair-PlayEs klingt wie ein Märchen aus vergangener Zeit, doch es geschah vor wenigen Monaten: am 24. Spieltag der Fußball-Bundesliga der Saison 2013/2014 um genau zu sein. Im Spiel des 1. FC Nürnberg gegen Werder Bremen verzichtete in der ersten Halbzeit Nürnbergs Japaner Hiroshi Kiyotake auf einen ungerechtfertigten Eckball und in der zweiten Halbzeit korrigierte der Bremer Aaron Hunt den Elfmeterpfiff des Schiedsrichters, indem er diesen darauf hinwies, dass er ohne gegnerische Einwirkung gefallen sei. Er hätte aus einem Instinkt heraus eingefädelt, was falsch gewesen sei. Er hätte einen Augenblick mit sich gekämpft, aber so wolle er kein Spiel gewinnen.

 

Ungerechtigkeiten und Betrügereien aller Art prägen das Bild

Die vergangenen Tage und Wochen vermittelten dann leider wieder ein anderes Bild. Bei der Fußball-WM in Brasilien läßt so mancher Schiedsrichter durchaus Zweifel daran zu, ob das Label „Unparteiischer“ noch gerechtfertigt ist und in Deutschland macht der 20jährige Hakan Calhanoglu solange Druck auf seinen Verein, ihn aus dem erst im Februar unterschriebenen 4-Jahres-Vertrag zu entlassen, bis dieser entnervt aufgibt und ihn nach Leverkusen ziehen lässt. Und wie durch ein Wunder ist er trotz Krankschreibung bis Mitte Juli unmittelbar nach Unterzeichnung des neuen Vertrages wieder genesen. Und als Höhepunkt der vergangenen Tage begeht der 1. FC Köln ohne Not einen Wortbruch gegenüber Lukas Podolski, dem man vor zwei Jahren vor 50’000 Zuschauern versprochen hat, „seine“ Nummer 10 bis zu seinem Karriereende nicht mehr zu vergeben. Hier genügte es, dass ein paar Leute im Verein, vor allem der Trainer und der Sportdirektor, eine andere Meinung über die Sinnhaftigkeit des Versprechens hatten, dass dieses kurzerhand einkassiert wurde.

 

Sind Werte verzichtbar?

Immer wieder, u.a. auch im Vorfeld der gerade laufenden Fußball-Weltmeisterschaft, wird die Forderung laut, dass wir im Sport „mehr Persönlichkeiten“ brauchen würden. Leider wird selten präzisiert, was damit genau gemeint ist. Gut, dass die Sportler nicht gleich aufgeben und möglichst kämpfen bis zum Umfallen ist sicher ein Aspekt. Aber wenn einer den Wert „Spaß haben“ als allerobersten Wert hat, wird er schon das kaum tun. Und auch alles andere, vom Verzicht auf einen unfairen Vorteil, über den Umgang mit Mitspielern und Konkurrenten bis zum verlässlichen Abarbeiten des Trainingsplans im Urlaub entscheidet sich zuerst und vor allem an den persönlichen Werten des Sportlers.

 

An den Werten entscheidet sich die mentale Stärke

Viele Sportler haben ihre Werte nicht klar. Das heißt, dass sie große Schwierigkeiten haben, klare Orientierungspunkte zu benennen, woran sie sich in ihren Entscheidungen orientieren wollen. Wenn alle anderen Orientierungspunkte versagen, dann bleibt zum Schluss nur noch der Erfolg um jeden, wirklich jeden, Preis übrig. Und die Ernte solcher Saat? Die geht von Schwalben über eine ausufernde Dopingproblematik und hört bei (häufig ungeahndeten!) den brutalen Fouls, die wir in Brasilien gesehen haben, leider noch lange nicht auf. Wer ein klares Wertegerüst hat, ist aber auch entscheidungsstärker. Natürlich ist er nicht gegen jede Unsicherheit und Zögerlichkeit gefeit. Aber Sportler, die auch ihre Werte „trainiert“ haben und gelernt haben, sie notfalls auch gegen Widerstände durchzusetzen, trainieren damit automatisch auch ihre mentale Stärke. Sie sind besser in der Lage, Schwierigkeiten, auch Schwierigkeiten im sportlichen Wettkampf, durchzustehen und in kritischen Situationen auch mal in der Mannschaft voranzugehen. Kurz und knapp: wer seine Werte klar hat, ist mental stärker, wer sie nicht klar hat, hat große Nachteile sowohl im Training als auch im Wettkampf.

Markus Frey
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