We love football„Sei immer Erster. Schon der zweite Platz ist eine Niederlage!“ war das persönliche Motto von Joe Kennedy, dem Vater von John F. Kennedy, dem späteren US-Präsidenten. Ein extremes Motto, gewiss, wozu auch mir der eine oder andere kritische Gedanke einfällt. Es wurde im Laufe der Zeit zu einer Art Familienmotto und es ist sicher nicht jedem Mitglied leicht gefallen, souverän damit umzugehen. Doch für nicht wenige Familienmitglieder wurde es zu einem ungeheuren Antrieb, um stets den Weg an die Spitze anzustreben. Dies führte dazu, dass die Kennedys über eine lange Zeit als mächtigste Familie der USA galten.

Natürlich macht ein Motto bzw. Slogan allein aus einem notorischen Verlierer noch keinen Sieger und es ist selbstverständlich richtig, wenn eingewendet wird, dass da durchaus noch mehr notwendig ist. Wer sich aber mit einem Motto identifiziert, wird in der Regel alles daran setzen, um diesem Motto gerecht zu werden. Es ist also gerade die Wirkung eines Mottos, dass es die Wahrscheinlichkeit stark erhöht, „dass da noch mehr kommt“, im positiven wie im negativen.

 

Vizekusen – eine schwere Hypothek nach außen…

Wie schon letzte Woche muss ich an dieser Stelle auf Bayer 04 Leverkusen zurückkommen. Nicht weil ich diesen Verein nicht mögen würde, ganz im Gegenteil. Meine Kinder sind fast seit ihrer Geburt in diesem tollen Verein sportlich aktiv (wenn auch bisher nicht in der Fußballabteilung) und mein Sohn ein glühender Anhänger von Leno, Kiessling & Co. Doch an Bayer 04 kann man gut deutlich machen, was für eine Wirkung so ein Vereinsmotto hat.

Als Bayer 04 um die Jahrtausendwende 4x Zweiter in der Fußballbundesliga wurde, entstand die Verballhornung „Vizekusen“. Dieser Begriff war vor allem im Sommer 2002 in aller Munde, als man trotz eines 5-Punkte Vorsprungs drei Spieltage vor Schluss Borussia Dortmund den Vortritt in der Meisterschaft lassen musste und sowohl das deutsche Pokalfinale in Berlin als auch das Championsleague-Finale verlor und somit dreimal Zweiter wurde. 2010 hat der damalige Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser „Vizekusen“ dann schützen lassen.

Leider hat Holzhäuser die Außen- wie auch die Innenwirkung dieser Maßnahme massiv unterschätzt. Natürlich könnte man das „Vizekusen“ halb im Scherz, mit einem Augenzwinkern sozusagen, wahrnehmen. Für ihn selbst und den einen oder anderen im Verein mag das sogar zutreffen. Viel realistischer ist aber das, was man landauf, landab erleben kann, wenn man an Diskussionen über Bayer 04 teilnimmt. Der Verein wird weitherum als Looserverein wahrgenommen.

Fair ist das nicht. Denn in Leverkusen passiert Vieles, was vorbildlich ist im Spitzensport. Der Verein, der seit 1979 ununterbrochen der Bundesliga angehört, hat in dieser Zeit Großartiges geleistet. Er war zwar nie Meister, hat aber trotzdem über die Jahre einen durchaus beeindruckenden Leistungsausweis abgeliefert. Aber es ist nun mal so: Fairness ist keine Kategorie, an der sich die öffentliche Wahrnehmung besonders stark orientiert. Wenn dann ein Verein sich das „Vize“ selbst als Etikett anheftet, dann ist diese Wirkung sehr, sehr stark und nur schwer wieder zu entfernen. Es würde sogar länger halten, als ein Gewinn der Meisterschale halten würde.

 

…und nach innen

Noch problematischer ist allerdings die Wirkung eines solchen Labels nach innen. Natürlich will deswegen keiner bewusst verlieren und zunächst geht auch jeder Spieler von Bayer 04 auf den Platz, um zu gewinnen. Trotzdem gibt es unzählige Beispiele wie ein Slogan, ein Spitzname, eine Philosophie das Selbst-Bewusstsein von Menschen verändert, egal ob das nun die Mitarbeiter einer Firma, die Mitglieder der Pfadfinder oder eben die Spieler einer Fußballmannschaft sind. Und wenn das Zweiter sein sozusagen in die „Vereinspersönlichkeit“ eingewoben wurde, dann macht sich dieses Selbstverständnis eben genauso im Unterbewusstsein breit, wie es andernorts mit „Wir leben dich“ oder „Mia san mia“ der Fall ist. Damit werden Geschehnisse wie die traumatische Niederlage im Jahr 2000 in Unterhaching, der schon erwähnte verspielte Fünf-Punkte-Vorsprung zwei Jahre später oder die aktuelle Niederlagenserie gegen Abstiegskandidaten nicht bis ins letzte erklärbar, aber eben deutlich wahrscheinlicher.

 

Und die Moral von der Geschicht…

…sei mit Slogans leichtfertig nicht! Sie haben, im positiven, wie im negativen, sehr viel mehr Einfluss auf dein Denken als du vermutlich selbst ahnst. Und dein Denken, das weißt du als Leser dieses Blogs, ist ein sehr bedeutender Mosaikstein, wenn es um deinen sportlichen Erfolg geht. Es ersetzt selbstverständlich nicht das körperliche Training oder die Taktikschulung. Aber genauso wie eine kleine, fiese Entzündung unsere Leistungsfähigkeit massiv beeinträchtigen kann, kann dies durch einen falschen Einfluss auf unser Denken geschehen. Zum Beispiel einen Slogan, den wir nicht entschieden genug durch einen besseren ersetzen.

Markus Frey
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