Das Video des Youtubers Rezo („Die Zerstörung der CDU„) und die Reaktionen darauf haben eines überdeutlich gezeigt: Deutschland ist im Kommunikationsstress. Ein Fehler wäre es allerdings, diesen Kommunikationsstress auf das Verhältnis von (jungen) Bürgern und der Politik zu reduzieren. Das Problem betrifft noch weit mehr soziale Gruppen und letztlich uns alle.

Menschen bleiben unter sich

„Gleich und gleich gesellt sich gern“ heißt ein altes Sprichwort und es stimmt ja auch: die allermeisten Menschen tendieren dazu, sich vor allem mit Menschen zu verbinden, die … gleich oder ähnlich ticken wie sie selbst. Soweit, so normal. Daran ist zunächst nichts Verwerfliches.

Trotzdem: wir brauchen einander

Problematisch wird diese Verhaltensweise aber immer dann, wenn es um Herausforderungen geht, die alle angehen. Der in den vergangenen Wochen sehr präsente Klimawandel ist dafür nur ein Beispiel, wenn auch ein besonders augenfälliges. Da sind wir darauf angewiesen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Und natürlich: für die Politik gilt diese Anforderung, mit den Bürgern im Gespräch zu sein und zu bleiben in besonderem Maße.

Abschottungen, um Kommunikationsstress auszuweichen

Menschen, die unter sich bleiben und dem eingangs erwähnten Kommunikationsstress entgehen wollen, neigen dazu, sich abzuschotten und Entwicklungen außerhalb ihrer „Welt“ nicht mehr wahrzunehmen. Dies ist an vielen Stellen zu beobachten, ist aber bei Politikern natürlich besonders dramatisch. Wenn über die Köpfe von großen Gruppen von Betroffenen Gesetze durchgedrückt werden, wie das zum Beispiel beim Urheberrecht passiert ist, dann hat dies in der heutigen Zeit mit ihren vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten enorme Konsequenzen.

Dramatische Konsequenzen

Eine Konsequenz waren die großen Verluste der beiden ehemaligen Volksparteien CDU und SPD bei der vergangenen Europawahl. Doch das war noch harmlos im Vergleich zu dem, was bei einer zusätzlichen äußeren Krise, z.B. einer Massenarbeitslosigkeit, durchaus auch denkbar wäre. Wenn bei solch einer äußeren Krise die „Verbindungsdrähte“ zwischen Bevölkerung und Politik nicht funktionieren, dann braucht es nicht viel Fantasie, was auch bei uns passieren kann.

Nicht nur die Politik betroffen

Im Übrigen ist wie schon erwähnt die so offensichtliche Hilf- und Sprachlosigkeit, die in den vergangenen Tagen v.a. die CDU und deren Vorsitzende an den Tag gelegt haben, keineswegs eine exklusive Geschichte. Auch viele andere große gesellschaftliche Gruppen (Unternehmer, Kirchen, Behörden, Gewerkschaften u.v.a.) tun sich ausgesprochen schwer, mit der Kommunikation ihrer Anliegen.

Es geht um Vertrauen

Letztendlich geht es um Vertrauen. Dieses wird zuweilen als „weicher Faktor“ bezeichnet und damit zumindest unterschwellig als weniger bedeutsam angesehen als die „hard facts“. Ein fataler Fehler. Fehlendes Vertrauen hat einerseits viele, sehr harte Auswirkungen, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Vor allem aber beraubt uns fehlendes Vertrauen vieler Handlungsoptionen, die wir angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit dringend benötigen.

Wir alle müssen besser kommunizieren lernen

Wir müssen also alle besser kommunizieren. Im persönlichen Bereich, aber eben auch, wenn es um die „großen“ Themen unserer Zeit geht. Es hängt nicht weniger als unsere Zukunft und in manchen Bereichen schon unsere Gegenwart davon ab. Tun wir es nicht, dann wächst das Risiko, dass viele aktuelle Probleme ungelöst bleiben und die daraus folgende Frustration bei vielen Menschen zu kaum berechenbaren Handlungskonsequenzen führt.

Die sozialen Medien bieten viele Chancen…

Doch wir haben auch viele Chancen, um dies zu lernen. Eine besonders große Chance bieten ausgerechnet die so oft verpönten sozialen Medien. Natürlich, es gibt da zuweilen auch sehr negative Erscheinungsformen der Kommunikation wie die manchmal verrohte Sprache, Beleidigungen oder Shitstorms. Andererseits ist es über Youtube, Twitter, Instagram und Co. eben auch möglich, sehr viele Menschen zu erreichen und mit ihnen in einen Dialog zu treten.

…die es klug zu nutzen gilt

„Klug“ sind an dieser Stelle vor allem diejenigen zu nennen, die es wagen, Gesicht zu zeigen und für ihre Überzeugungen einzustehen. Es gibt keinen Ort, an dem so viele Menschen zusammenkommen und wer es hier schafft, Vertrauen herzustellen, der wird auch in der Offline-Welt eine deutlich erhöhte Chance haben, die Früchte dieses Vertrauens zu ernten. Zum Beispiel an der Wahlurne, aber eben nicht nur an der Wahlurne…

Markus Frey, Life-Coach, Köln
info(ät)stressfrey.de

PS Ich habe mich auch auf meinem Youtube-Kanal zum Thema geäußert:
Miteinander statt übereinander reden (Hier klicken)