Es ist verrückt. Seit Jahren streiten sich die Experten, wie das berühmt-berüchtigte Burnout-Syndrom zu bewerten ist. Ist es jetzt eine Krankheit oder vielleicht doch nicht. Wenn man „Krankheit“ als „Befindlichkeitsstörung“ definiert (was allgemein üblich ist), dann ist Burnout natürlich eine Krankheit. Denn die Befindlichkeit eines Betroffenen ist ja tatsächlich gestört… und das ziemlich massiv.

 

Burnout – Diagnosevermerk nur statistisch interessant

Das juckt aber die Weltgesundheitsorganisation WHO nicht. Nach deren Kriterien ist Burnout keine Krankheit und deshalb erscheint Burnout im großen Katalog der WHO auch nicht unter „Krankheiten“, sondern lediglich unter der Rubrik „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen.“ Das mag etwas gar haarspalterisch erscheinen, ist aber der entscheidende Punkt, wenn es immer wieder heißt, dass Burnout gar keine wirkliche Krankheit sei. Dazu kommt, dass in Deutschland die Ärzte und auch die Krankenkassen sich von Gesetzes wegen an diesen Katalog halten müssen. Geld, z.B. für eine Kur gibt es für „Burnout“ alleine aber keines. Da muss dann schon noch was anderes auf dem Diagnoseblatt stehen, z.B. Erschöpfungsdepression oder Ähnliches. Der Arzt kann also die Zusatzdiagnose „Burnout“ vermerken… oder es auch lassen. Der Vermerk hilft dem Patienten nicht und ihm auch nicht; er hat also keinerlei Auswirkungen… außer auf die Statistik.

 

Diagnosevermerk als entscheidendes Kriterium?

Und eine solche Statistik hat nun die Deutsche Angestellten Krankenkasse vor kurzem veröffentlicht. Überschrieben wurde die Schlussfolgerung des „Gesundheitsreports 2012“ mit dem Titel „Burnout kein Massenphänomen.“ Ob für solch eine Schlussfolgerung die Verwendung der Zusatzdiagnose „Burnout“ auf dem ärztlichen Diagnoseblatt wirklich das entscheidende Kriterium sein sollte…? Auch wenn man zugeben muss, dass der Begriff „Burnout“ in den vergangenen Jahren etwas gar inflationär gebraucht wurde, bin ich da etwas skeptisch…

 

Fast ein Viertel hat innerlich schon gekündigt

Sei’s drum. Ein paar Tage nach dem Gesundheitsreport kam eine weitere Untersuchung raus, die wie der Gesundheitsreport der DAK jedes Jahr veröffentlicht wird. Dabei handelte es sich um die Untersuchung zur Arbeitsmotivation der Beschäftigten durch das bekannte Meinungsforschungsinstitut Gallup. Das machen die seit 2001 jedes Jahr. Beim ersten Mal wurde mit dem so genannten „Engagement Index“, so nennen die Leute von Gallup diese Untersuchung, die übrigens in verschiedenen Ländern durchgeführt wird, noch ein ziemlicher Schock ausgelöst. In der Zwischenzeit haben sich die Zahlen nicht großartig verändert, aber geschockt ist kaum noch jemand. Das wundert mich sehr, denn die Zahlen haben es schon in sich. Konkret:

  • 24% der Beschäftigten in Deutschland haben innerlich bereits gekündigt;
  • 61% machen noch „Dienst nach Vorschrift“
  • und nur 15% zeigen eine hohe innere Bindung an ihren Arbeitgeber und ihre Aufgabe und können als gut motiviert betrachtet werden.

 

Zusammenhang von Burnoutrate und Mitarbeitermotivation

Was hat das nun mit „Burnout“ zu tun? Nicht gerade wenig. Ausgebrannt“ heißt ja, dass da keinerlei Benzin im Tank mehr ist, vor allem psychisch geht da gar nichts mehr. Und die 85% die in ihrer Arbeitsmotivation irgendwo zwischen „Dienst nach Vorschrift“ und innerer Kündigung schwanken… haben natürlich auch ein gewaltiges Energiedefizit. Die sind jetzt nicht alle krank und wir müssen jetzt auch nicht gleich wieder übertreiben und die alle als Burnoutpatienten bezeichnen. Aber drei Dinge sollten wir uns klar machen:

  1. Egal wie hoch wir jetzt den Anteil der Burnoutbetroffenen konkret veranschlagen: sie sind sicher nicht, oder jedenfalls nicht mehr(!), bei den Hochmotivierten zu finden, sondern vor allem bei denen, die innerlich gekündigt haben oder allenfalls noch ein bisschen Dienst nach Vorschrift schieben.
  2. Die Diskussionen, ob Burnout nun eine Krankheit sei oder nicht, ob es eine Depression oder „nur“ ein Vorstufe der Depression sei, und worüber sich die Experten sonst noch den Kopf einschlagen bringen uns keinen Millimeter weiter.
  3. Die Punkte, die jeder Einzelne von aktiv und unterstützend einbringen kann, um die Weiterverbreitung des Burnout-Syndroms einzudämmen… sind zu einem ganz großen Anteil die gleichen auf die es ankommt, wenn wir das Ziel haben, die Mitarbeitermotivation auf einen neuen Level zu heben.

Wir haben die Wahl

So, jetzt können wir wählen. Wir können wählen, ob wir weiter Zeit und Geld verschwenden wollen, indem wir Sprüche klopfen, wie solche, dass die Trümmerfrauen nach dem 2. Weltkrieg auch keinen Burnout gehabt hätten oder dass Burnout nur eine Modediagnose sei. Wir können auch alle Burnoutbetroffenen in einen Topf schmeißen, auf dem „Weicheier“ steht. Und natürlich können wir auch alle persönliche Verantwortung von uns weisen und unterstreichen, dass an der ganzen Problematik sowieso nur das System schuld sei und der Einzelne letztendlich gar nichts tun könne. Und wir könnten auch sagen, dass der volkswirtschaftliche Schaden von 112 bis 138 Milliarden Euro, den Gallup für unsere miserable Arbeitsmotivation veranschlagt doch sicher übertrieben sei… und zur Tagesordnung übergehen.
Dafür werden wir allerdings einen Preis bezahlen, der in Zukunft noch weiter ansteigen wird, auch wenn die Kostenstelle „Burnout“ vielleicht einen etwas geringeren Betrag aufweisen wird. Aber allein durch Umetikettierung hat sich noch nie ein Problem gelöst.

Welche Entscheidung treffen Sie? Für sich selbst oder auch für die Abteilung, den Arbeitsbereich oder die Firma für die Sie Verantwortung tragen? Sie haben die Wahl!

Markus Frey

frey(ät)stressfrey.com

 

PS Diesen Artikel gibt es auch als Kurzvortrag auf Youtube: http://youtu.be/SvnQdTcoXSo

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