Wenn man hauptsächlich mit Unternehmern und Führungskräften aus der Wirtschaft unterwegs ist, dazu auch noch mit Menschen aus der Welt des Wettkampfsports, dann sind Ziele immer wieder ein Thema. Und wenn es um Stress oder Burnout geht, dann kann man zum Zusammenhang mit Zielen durchaus Kontroverses hören. Gründe genug, um mal mit einem der bekanntesten Ziele-Experten, dem schwäbischen Unternehmer Jörg Knoblauch zu sprechen.

 

Frey: Herr Professor Knoblauch, Sie gelten allgemein als Spezialist für das Finden und Binden von Top-Mitarbeitern  und in diesem Zusammenhang auch für das Führen mit Zielen. Was heißt das konkret für einen Mitarbeiter, der in einer Ihrer Firmen arbeitet, dass bei Ihnen mit Zielen geführt wird?

Knoblauch: Ganz einfach: Im Juni eines Jahres fangen wir an, über die Ziele für das nächste Jahr zu reden. Das heißt: Die Geschäftsleitung präsentiert, was sie im nächsten Jahr erreichen will, und der Mitarbeiter macht Vorschläge, was er dazu beitragen kann.

Dann wird das herauf- und herunterdiskutiert, und Mitte Dezember ist ein so genanntes „Zielebuch“ fertig. Das heißt, in diesem Buch hat jeder Mitarbeiter alle seine Ziele drin inkl. sein Foto und die Maßnahmen, die er einleiten will, um diese Ziele zu erreichen.

Am 01. Januar ist dann der Startschuss und jeder hat seine Ziele an der Wand. Sie sind farbig gestaltet. Rot heißt „Ziel nicht erreicht“, gelb heißt „Punktlandung“ und grün bedeutet „Ziel deutlich übertroffen“.

 

Frey: Nun werben Sie ja unter anderem auch mit Ihrer Website www.ziele.de stark dafür, dass man sich nicht nur berufliche, sondern auch private Ziele setzen soll. Mancher sagt da jetzt „Ich habe im Beruf schon genug Stress. Da will ich privat nicht auch noch Zielen nachjagen.“ Was sagen Sie so jemandem?

Knoblauch: „Ziele“ heißt ja beileibe nun nicht Stress – ganz im Gegenteil: Ziele bringen ja auch große Klarheit ins Leben, und ich würde sagen: Wer privat keine Ziele hat, kann sie auch beruflich nicht haben. Das geht Hand in Hand. Meine Erfahrung ist: Gute Leute lieben Ziele – privat und beruflich.

 

Frey: Viele nehmen sich zu Silvester ja den einen oder anderen guten Vorsatz vor. Doch ich erinnere mich, dass ich bereits am 2. Januar in Facebook die Frage gelesen habe: „Hat jemand meine Vorsätze gesehen? Sie sind spurlos verschwunden.“ Jemand anders hat hinzugefügt: „Meine haben sich auch bereits auf und davon gemacht“. Was läuft falsch mit den guten Vorsätzen, warum scheitern immer wieder so viele damit?

Knoblauch: Wir kennen das alle: Gestartet wie ein Löwe, gelandet wie ein Bettvorleger. Aber alle kennen auch den Satz: Erfolg heißt, einmal mehr aufstehen als hinzufallen. Soll heißen: Natürlich wird man schwach, vergisst Ziele, macht unerlaubte Abkürzungen usw.

Aber: Dranbleiben ist wie immer das Entscheidende im Leben. Ziele sind schließlich kein Event, mit Zielen leben ist ein Prozess!

 

Frey: Bei Zielvereinbarungsgesprächen geht es ja in der Regel darum, was der jeweilige Mitarbeiter zur Erreichung der Firmenziele beiträgt. Und diese Firmenziele sind vor allem in Kennzahlen wie Marktanteil, Umsatz, Reingewinn usw. festgehalten. Sie geben sozusagen die Richtung vor. Was sollte Ihrer Meinung nach im privaten Bereich die Richtung vorgeben?

Knoblauch: Ein Ziel hat immer zwei Kriterien: Es ist erstens messbar und zweitens machbar. Nehmen wir mal die Kennzahl wie Marktanteil. Was nicht funktioniert ist, wenn Sie sagen würden, „wir wollen mehr Marktanteil“. Am Ende des Jahres wären wir vielleicht zerstritten über das, was wir erreicht haben. Sie sind zufrieden, ich bin unzufrieden. Wenn Sie aber sagen, den Marktanteil um zwei Prozent steigern, dann haben Sie ein Ziel (so lange die zwei Prozent auch erreichbar sind).

Das Wichtigste im privaten Bereich scheint mir zu sein, dass man sich nicht irgendetwas als Ziel setzt wie zum Beispiel: Mehr Bewegung, weniger Essen, …, sondern auch ein messbares und machbares Ziel. Wie wäre es vielleicht mit „Einmal in diesem Jahr die Bibel durchlesen“? Das wäre messbar, und es ist auch machbar.

 

Frey: In Ihrem Buch „Dem Leben Richtung geben“ empfehlen Sie, die Ziele auf die vier Bereiche „Körper“, „Arbeit“, „Beziehungen“ und „Sinn“ aufzuteilen. Warum gerade diese vier?

Knoblauch: Da bin ich nicht wirklich festgelegt. Ich habe heute in 13 Bereichen für mich Ziele gemacht. Die werden jährlich überarbeitet. Suchen Sie sich einfach die Bereiche aus, um die Sie sich kümmern müssen.

 

Frey: Ziele bergen ja auch das Risiko, dass man sie verfehlen kann. Bei so manchen kommt dann das ganze Leben in Schieflage. Was empfehlen Sie für den Umgang mit verfehlten Zielen?

Knoblauch: Ich denke nicht, dass bei einem verfehlten Ziel das Leben in Schieflage kommt. Es ist völlig normal, Ziele zu verfehlen. Mein Satz an dieser Stelle heißt: Mit Zielen arbeiten heißt das Managen von Abweichungen. In anderen Worten: Nur wer Ziele hat, kann überhaupt Abweichungen erkennen, und dann kann man an diesen Abweichungen arbeiten.

 

Frey: Ich habe von Ihnen mal gelesen, dass Sie „jede Minute ausquetschen“ würden. Aber auch Sie müssen sich körperlich und geistig erholen. Wo tanken Sie auf, oder anders gefragt: was sind Ihre Erholungsziele?

Knoblauch: Mein Vorteil: Mit 5 Stunden brauche ich relativ wenig Schlaf. Aber natürlich haben Sie recht, jeder von uns muss auftanken.

  • Der Sonntag hat den Sinn, wieder auszugleichen, was die Woche über durcheinandergekommen ist. Den Gottesdienst genieße ich besonders.
  • Ich bin noch nie 3 Wochen am Stück in Urlaub gewesen, aber immer wieder mal eine Woche.
  • Langstreckenflüge sind einfach große Klasse: Essen, schlafen, arbeiten, ankommen.

Frey: Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

JWKnoblauch Zur Person: Prof. Dr. Jörg W. Knoblauch gehört zu den bekanntesten mittelständischen Unternehmern Deutschlands. Er leitet nicht nur seit Jahrzehnten mehrere Unternehmen, wovon derzeit tempus und persolog die bekanntesten sind. Er ist auch vielgefragter Redner und erfolgreicher Buchautor. Darüber hinaus engagiert er sich stark im kirchlichen Umfeld und ist Initiant des Kongresses christlicher Führungskräfte, der mittlerweile alle zwei Jahre über 3000 Teilnehmer anzieht. 2015 wird er in Hamburg stattfinden.

Das Interview führte Markus Frey, Köln
stressfrey(at)gmail.com