Vertrauen ist auch in der Welt des Sports ein hohes und wichtiges Gut und ohne Vertrauen kann auch ein Verein wie der FC Bayern München nicht geführt werden. Von daher war es richtig, dass Uli Hoeness dem Aufsichtsrat zunächst seinen Rücktritt angeboten hat. Aber auch die Ablehnung dieses Rücktrittsangebots war richtig, denn Uli Hoeness hat bis jetzt deutlich erkennen lassen, dass er seinen Fehler auch wieder gutmachen will. Die Ablehnung des Rücktrittsangebots war daher eine richtige Entscheidung. Der Aufsichtsrat des FC Bayern München hat damit ein Signal gesetzt, dass es auch heute noch möglich sein muss, dass Menschen, die einen Fehler begehen, für diesen Fehler zwar geradestehen und ihn begleichen müssen, aber ohne dass gleich ihre ganze Existenz in Frage gestellt wird.
Gleichbehandlung
Gleichbehandlung vor dem Gesetz ist natürlich eine berechtigte Forderung. Bei nüchterner Betrachtung kann man im Fall Uli Hoeness festhalten, dass dies nicht der Fall ist… er wurde ganz klar schlechter(!) behandelt. Stets war die Rede von mindestens hunderten, eher wohl einigen tausend Selbstanzeigen, wovon bisher aber keine andere öffentlich geworden ist, als eben die von Uli Hoeness. Ohne dem ebenfalls anstehenden Urteil zu dieser Frage vorgreifen zu wollen, scheint es doch so, dass der nun möglich gewordenen öffentlichen Diskussion über das konkrete Fehlverhalten des Uli Hoeness… wiederum eine Straftat zugrunde liegt. Wie auch immer, was sich an dieser Stelle von selbst verbietet und geradezu zynisch klingt ist das vielgebrauchte Wort „Promibonus“. Bis dato haben wir es in der Causa Hoeness ohne jeden Zweifel mit einem massiven Promimalus zu tun.
Die Frage nach dem Vorbild
Natürlich kann man zu Recht sagen, dass Uli Hoeness als Vorbild versagt hat. Steuerhinterziehung wird zwar von manchen als Kavaliersdelikt angesehen, was es aber durchaus nicht ist. Und einer, der andernorts Missstände stets deutlich angeprangert hat, etwa beim DFB oder der FIFA, muss natürlich damit leben, dass an ihn auch ein höherer Maßstab angelegt wird.
Wenn wir uns allerdings von puren Rachegedanken und „Gut-dass-es-gerade-den-erwischt-hat“-Emotionen freimachen, dann müssen wir auch zu der Frage kommen, ob denn die, die Uli Hoeness in den vergangenen Wochen besonders hart attackiert haben, selbst diesem Maßstab gerecht werden. Das kann ohne Böswilligkeit praktisch durchgängig verneint werden. Ich jedenfalls habe meinen Augen nicht getraut, als ich gelesen habe, wer da alles Hoeness kritisiert hat. Aber auch wenn man die prominenten Richter und Henker, die selbst als Vorbilder schon deutlich versagt haben, außen vor lässt, hat die Debatte in einem Land, in dem Steuerdelikte geradezu ein Volkssport (und auch nicht nur Privileg der Reichen, auch wenn diese mehr Möglichkeiten haben) ist, stark heuchlerischen Charakter.
Der unerfüllbare Maßstab des perfekten Vorbilds
Insgesamt müssen wir uns nicht nur im Fall Uli Hoeness fragen, ob wir, gerade auch in der Welt des Hochleistungssports, nicht immer wieder ein Bild des perfekten Vorbilds pflegen. Die ist wohl der Hauptgrund, warum immer wieder so heftige Rufe nach Gnadenlosigkeit erschallen, wenn wieder jemand diesem Bild auf irgendeine Weise nicht entsprochen hat. Sollten wir nicht vielmehr anerkennen, dass Menschen widersprüchlich sind? Und zwar wir alle, nicht nur die schillernden Figuren. Diese Erkenntnis allein würde die Forderungen nach Konsequenzen wohl etwas anders aussehen lassen. Konsequenzen, die mehr die Wiedergutmachung und weniger die Rache im Blick haben. Dann könnte auch der tätigen Reue ein anderer Stellenwert zugestanden werden, als dies meistens geschieht.
Noch einmal: der Aufsichtsrat hat richtig entschieden
Was davon bei der Entscheidung, des Aufsichtsrats des FC Bayern München alles eine Rolle gespielt hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Auch nicht, wie sich das Gremium entscheiden wird, sollte Uli Hoeness tatsächlich verurteilt werden, was ja noch offen ist. Zunächst einmal ist einfach festzuhalten, dass er richtig entschieden und sich damit gegen eine weitere Vorverurteilung gestellt hat. Und er hat sich, bisher mindestens, auch dagegen gestellt, eine vom Gesetz vorgesehene Strafe weiter zu verschärfen, indem sie nicht nur das konkrete Fehlverhalten von Uli Hoeness, sondern gleich auch seine ganze Person in Frage stellt. Es wäre eine großartige Sache, wenn sich solch eine Haltung auch in der Medienwelt etwas mehr durchsetzen würde, auch wenn man solch einen Wunsch aktuell wohl nur als naiv bezeichnen kann.
Markus Frey
stressfrey(ät)gmail.com
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